top of page

Einwurf 40: Goldene Zeitalter


Zeitreisen sind hip und bald jeder ist auf der Suche nach «seinem» goldenen Zeitalter. Wer in die Antike verliebt ist, denkt an Echnaton und Nofretete, an Perikles und die Schule von Athen oder an Augustus und Jesus. «Mittelalterliche» stehen auf Karl den Grossen oder auf Friedrich II. und deren Zeitgenossen.

Ich habe zwei «Beamer»-Favoriten: Renaissance und Französische Revolution.

Mein erstes «Zeitreiseleben» würde von 1480 bis 1560 dauern; das deckt sich mit jenem von Michelangelo. Ich sähe ihn und da Vinci, Raffael, Erasmus, Luther, Calvin, Kolumbus und Kopernikus am Werk. Der Humanismus kommt auf und mit ihm die Reformation. Gleichzeitig kämpft Karl V. an allen Fronten: Gegen religiöse Ketzer, eigensinnige Kurfürsten, revolutionäre Bauern, die Franzosen, den Islam bzw. die Türken, Inka, Maya, Azteken. Er verkörpert wirklich so etwas wie eine «Achsenzeit».

Das zweite «Zeitreiseleben» würde sich zwischen 1750 und 1830 abspielen, also im Gleichschritt mit demjenigen von Goethe. Hier hätte ich aber auch nicht nur Goethe, sondern auch Schiller, Voltaire, Rousseau, Kant, Hegel, Schopenhauer, Mozart, Beethoven und Schubert im Gepäck. Die neuen Megatrends sind Aufklärung und Menschenrechte. Statt Karl V. ist jetzt Napoleon der einsame «Achsenzeitchef». Dessen «Endstation» ist aber nicht mehr ein Kloster, sondern eine Gefangeneninsel, und dessen Opfer werden nicht mehr von der Inquisition erdrosselt, sondern als reaktionäres Kanonenfutter aufgefressen. Kleiner, aber feiner Unterschied.

Die Französische Revolution und die damit verbundenen Schreckensherrschaften und Völkerschlachten wären übrigens gar nicht nötig gewesen, wenn man den Reformkurs von aufgeschlossenen Monarchen wie Katharina (Russland), Maria Theresia (Österreich) oder Friedrich (Preussen) europaweit energisch vorangetrieben hätte.

Aktuelle Einträge
Kategorien
Archiv
bottom of page