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Einwurf 174: Das Vermächtnis der Achsenzeit

Aktualisiert: 20. Nov. 2023


Die «Achsenzeit» (Karl Jaspers) ist eine historische Epoche, welche die menschliche Entwicklung mindestens so stark geprägt hat wie das Neolithikum und die industrielle Revolution. Sie erstreckt sich auf die Jahre 800 bis 200 vor Christus; ich würde sie aber auf das ganze erste Jahrtausend vor Christus ausweiten und so auch Jesus selber noch mit einbeziehen.

«Unsere asiatische Zukunft» heisst ein neuer Buchbestseller. Darin wird kolportiert, die asiatischen Werte würden das 21. Jahrhundert ebenso markant prägen wie die amerikanischen das 20. und die europäischen das 19. Auf Anhieb tönt das zwar nicht schlecht, aber den chinesischen Überwachungstotalitarismus und die indische Grausamkeitskultur schreibt man so nicht einfach weg (und den islamischen Fundamentalismus erst recht nicht). Wenn menschliche Entwicklung aber mit Frieden und Wohlstand gleichsetzt wird, kann die Welt, die Asiaten selber inbegriffen, durchaus von Asien lernen. Für Konfuzius zum Beispiel liegt der Schlüssel für die nachhaltige Lebensqualität im persönlichen Charakter, der durch Familie und Bildung geformt wird. Bei Laotse liegt er im Bestreben nach Empathie, Harmonie und Ausgleich, für Buddha sind Ruhe und Einkehr entscheidend und für den «Asiaten» Jesus Gesinnungsethik und Solidarität.

Mit solchen Grundwerten sichert sich die Menschheit jenen Frieden, ohne die es keinen Wohlstand geben kann. Klar gilt auch die umgekehrte Relation, aber in dieser Wechselbeziehung hat der Friede das Primat. «It’s culture, clever, not economy, stupid». Die Moral kommt vor dem Fressen: Alle wissen, dass der Wohlstand den Frieden zerstört, wenn er unethisch verteilt ist.

Für die Werte des Wohlstands kamen primär die Europäer der Achsenzeit auf, Platon mit seinem Wahrheitsideal und Aristoteles mit seinem Ordnungssinn. Um (materiellen und immateriellen) Wohlstand zu erzeugen, muss «sicheres» Wissen erforscht, entwickelt und praktisch umgesetzt werden, wirtschaftlich (eher mit Aristoteles), politisch (mit Aristoteles und Platon) und kulturell (eher mit Platon).

Aussen vor bleiben auch bei einer verlängerten Achsenzeit Moses und Mohammed. Das hat nichts mit Antisemitismus zu tun (auch Jesus war ein Semit), sondern ganz einfach damit, dass diese beiden für die nachhaltige Lebensqualität weder einen substanziellen Mehrwert noch eine herausragende «USP» hervorgebracht haben. Es sei denn, man betrachte den heiligen Krieg und den Alleinherrschaftsanspruch als solche, aber da gehen wir vom ersten Jahrtausend vor Christus lieber gleich direkt zu Luther und zu Kant und sicher nicht mehr zurück ins Alte Testament.

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