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Einwurf 421: An den Systemgrenzen

Aktualisiert: 25. Juni 2021


Die Schweizer sind die Grössten, und sie sind völlig zu Recht wahnsinnig stolz darauf. Egal welche Rankings, und was die wert sind: Wir sind immer ganz oben. Wir sind die Innovationsgötter, dazu sind wir Weltmeister im Eishockey, Weltmeister im Fussball, und im Tennis seit 20 Jahren das Mass aller Dinge, der Vatikan der Fedismusreligion. Dank unserer Neutralität schreiben wir in hohem Takt Weltgeschichte. Soeben fand in Genf mit Biden und Putin der «Gipfel aller Gipfel» statt, auf Augenhöhe mit dem Westfälischen Frieden, dem Wiener Kongress, Versailles, Yalta, Maastricht, Rio de Janeiro: Absolute Spitzenklasse in jeder Hinsicht. Einfach nur fantastisch.


Okay gut, wenn Cassis und Parmelin die Messlatte sind, dann ist bald jeder einmal der Grösste, und zwar überall. Im Ernst: Das alles ist pure Trittbrettfahrer-Augenwischerei. Was Sache ist, hat der Abstimmungssonntag vom 13. Juni 2021 offenbart, wobei da nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs hervorlugte. Wer über eine «Helicopter View» verfügt, weiss genau, dass die «harten» Volksentscheide der letzten zehn Jahre praktisch alle kreuzfalsch waren. Und die nächsten Fehlentscheide stehen unmittelbar bevor. Es geht um Kapitalsteuern, Ehe für alle, Massentierhaltung, Menschenversuche, Organspenden, Waffenexporte, sichere Autos und dergleichen. (Tempo 200 auf den Autobahnen und Sexpuppen im Kindergarten machen gerade Pause.) Viel Vergnügen bei der Fortsetzung des Idealistenbashings und der Morddrohungen!


Die Bilanz der «Helicopter View» im Detail: EU-Verträge auf dem Misthaufen (hier bemühte man sich erst gar nicht um ein Plebiszit), Wirtschaftsethik auf dem Misthaufen, Klimaschutz auf dem Misthaufen, Biodiversität auf dem Misthaufen, Krebsprävention auf dem Misthaufen («extrem» waren nicht die Pestizid-Initiativen, «extrem» ist vielmehr der Stoff, mit welchem die Bauern unser Land vergiften), Gendergerechtigkeit auf dem Mithaufen, Sozialversicherungen auf dem Misthaufen, Raumplanung auf dem Misthaufen, Öffentlicher Verkehr auf dem Misthaufen, Integration auf dem Misthaufen, Asylrecht auf dem Misthaufen, Finanzordnung (Steuerdschungel, Nationalbankexzesse) auf dem Misthaufen, Armeereform (Luftwaffe) auf dem Misthaufen. Und wer sich dagegen wehrt, wird totgeschwiegen, ignoriert oder von den Stasischnüfflern im Geheimdienst kaltgestellt. Das Parlament geht auf die Wissenschaft und die Medien los. Diktatur China, Schurkenstaat USA, Apartheidregime Israel? Kein Thema, und das ist konsequent, denn wir sind ja gar nicht so viel anders als die. Innovativ eben, was immer das sei.


Die reformaverse Schlamasselmaschine von Bern hat ein Oberziel, nämlich die Ausrottung von Volksinitiativen. Stattdessen soll das Volk absegnen, was die Allianz der raffgierigen Multimilliardäre in den Steueroasen und des faschistischen Prekariats in der Pampa durchdrücken will («Gegenvorschläge»). Der gemeinsame Feind sind die Initianten, die man als nutzlose Faulenzer und kontraproduktive Dummköpfe diffamiert. Die Kesseltreiber sind die SVP und ihre Geiseln in den anderen Parteien. Die verdeckte Staatsdoktrin ist die Vernichtung der direkten Demokratie durch eine unrepräsentative, intransparente, oligopolistische Parteien- bzw. Sektenherrschaft mit monopolistischer Tendenz. «Souveränität» hin oder her: Das ist Angelsachsen-, Osteuropa- und Asienkompatibilität vom Feinsten, siehe USA, Grossbritannien, Polen, Ungarn, Türkei, Russland, China. (Von Afrika reden wir da gar nicht.) Dazu passt die Absenz der Gewaltentrennung. Die Sektenkammern wählen die Regierungen und die Gerichte. Wer nicht zu einer Sekte gehört, hat dort keine Chance. Ausser vielleicht in den kleinen Gemeinden, wo man bald um jeden Trottel froh ist, der sich noch «zur Verfügung stellt»


In Polen haben sie herausgefunden, dass der oberste Sektenführer nicht mehr als 30% loyale (auf Deutsch: kadavergehorsame) Anhänger braucht, um reformavers durchzuregieren. Das deckt sich mit der Erfahrung aus der Weimarer Republik. Einer durchtriebenen Dampfwalze wie Netanyahu genügen sogar 20% oder noch weniger. Der postmoderne Talibanismus nach helvetischem Rezept ist der «DFTTKS-Föderalismus» (Dorfkönig, Füdlibürger, Turnverein, Trottoirgrenzen, Kantönligeist, Ständemehr). Das Resultat: Jede Alphütte erhält einen jahrzehntelang vernehmlassten Luxus-Autobahnanschluss, die Pilatuswerke beliefern sämtliche Kriegsgurgeln sämtlicher Erdteile («sonst macht das einfach ein anderer») und vor dem Matterhorn verschlingen sie nur noch Zucker, Fett und Konservierungsmittel. Zürich, Basel, Bern, Lausanne und Genf dagegen sind autofrei, hundefrei, vegane Avantgarde, LGBTI-Hochburgen, Bildungs- und Kulturmetropolen, haben in der Eidgenossenschaft aber rein nichts zu bestellen. Deren Systemgrenzen sind damit endgültig erreicht.


Was tun? Terrorismus ist eine naheliegende, plausible Antwort; man wird dazu schon fast provoziert. Diese Linie ist aber nicht sonderlich adrett, gell. Und überhaupt: Die Welt geht auch im Talibanismus nicht unter. Man gewöhnt sich an alles, wenn man zu den Grössten gehört. Mario Fehr mag da anderer Ansicht sein. Er verlässt seine 40 Jahre lang treue Ehefrau (die SP) von einem Tag auf den andern. Wenn das alle machen würden, wäre das System in der Tat nur noch heisse Luft. Doch das ist ein Traum, nicht mehr und nicht weniger. Das System fährt garantiert unverdrossen fort, das falsche (kadavergehorsame) Personal in die Schlüsselpositionen zu katapultieren, Mario Fehr hin oder her.


Alternativen zum Sektentalibanismus gibt es zuhauf. Wir haben sie in unser neues Buch «Die Megatrendigen – Statusberichte 2050» integriert. Sie kommen auch in unseren anderen Büchern und im Programm der Bildungs- und Beratungsfirma PELESP vor. Kurzfristig schlagen wir jedoch einen Systemboykott vor. Die Sekten sollen ihren Mistschlamassel ungebremst zu Ende führen, wenn es denn schon sein muss. Lassen wir sie doch «täubele», aber ignorieren wir ihre Alibiübungen von der Sorte Wahlen, Abstimmungen, Initiativen, Referenden und Petitionen. So ersparen wir uns viel überflüssigen, krank machenden Ärger. Die Initiativen- und Referendumslawinen sind natürlich kein Zufall, wenn die Sekten nichts Gescheites mehr hinkriegen, aber letztlich laufen sie eben doch auf eine rein systemerhaltende Energieverschwendung hinaus (siehe oben). Scheinheiliges Mitbestimmungsgetue.


Schliesslich kann man sich ja auch zurücklehnen, den Antifa-Protest und die EU machen lassen und deren Entscheide entweder zähneknirschend oder stillschweigend, jedenfalls «souveränitätslos» nachvollziehen. Personenfreizügigkeit, Schengen, Euroanbindung etc. haben es schon vorgemacht: Dagegen ist kein Kraut gewachsen, da bleiben wir optimistisch, egal was die Nazis hier und dort hinausposaunen. Und dann noch das: Fremde Richter sind immer die besten. Wenn die USA gegen den Iran spielen, dann pfeift auch keiner aus Israel oder aus dem Gazastreifen.


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