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Einwurf 651: Schweiz in die EU

Aktualisiert: 15. Dez. 2023


Seit der EWR-Abstimmung von 1992 ist das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU gestört. Die so genannten bilateralen Abkommen sind nichts anderes als eine Notlösung, deren Wert konstant sinkt. Nun soll wieder einmal ein neuer Anlauf zu einer geordneten Vertragsbeziehung genommen werden. Damit am Schluss etwas Gescheites herauskommt, muss aber anders vorgegangen werden als bisher. Sonst stehen wir in 9 Jahren erneut wieder dort, wo wir uns im Jahr 2014 schon befanden. Die Verhandlungsthemen und -probleme sind nämlich zu mindestens 90% immer noch die gleichen wie damals.


Wichtig sind daher vier Grundeinstellungen: Profilierte Ziele, Risikobereitschaft, Transparenz und Tempo. Wenn man ewig, mutlos und kompliziert um den heissen Brei herumschwafelt, verliert das Volk das Vertrauen und schöpft Verdacht («Versteckte Agenden»). Das Traktandum hängt ihm schnell wieder zum Hals heraus, und auch die Abstimmung ist von vornherein verloren.


Da der «bilaterale Weg» am Ende ist, kommen nur drei Optionen in Frage, wobei die erste klar priorisiert und die letzte als minimale «Rechtssicherheitslösung» betrachtet werden müssen: 1) Vollbeitritt, 2) EWR (nach dem Muster von Norwegen) oder 3) «Schwexit» (keine Verträge mehr mit der EU, sondern nur noch mit einzelnen Mitgliedstaaten). Alles andere ist chaotisches Krüppelzeug oder pures Wunschdenken und damit nichts als Zeit- und Geldverschwendung. Für jede Option muss man schliesslich bereit sein, aufs Ganze zu gehen. Falls das Volk dann gegen den Vollbeitritt oder den EWR entscheidet, liegt wenigstens ein demokratischer Entscheid vor, der von der EU und ihren Mitgliedern garantiert auch mit Respekt aufgenommen werden wird.


Als Zugpferde sind primär der Bundesrat, die Kantons- und die Stadtregierungen, die öffentlichen Verwaltungen, Hochschulen, Think Tanks, Kulturinstitutionen, Medien, private Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Europäische Bewegung Schweiz gefragt. Vom Parlament ist da nicht viel zu erwarten. Dessen Kernkompetenzen sind Kuhhändel, Verschleppungen, Zerfleischung von Volksinitiativen und unerfüllbare Forderungen (Kreisquadraturen). Zudem stecken alle Parteien und auch die grossen Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften in der SVP-Falle, nicht nur in der Europapolitik («Flächendeckender Reformstau»). (Zu den Auswüchsen der SVP-Falle gehört neuerdings auch die «unheilige Pestizidallianz» zwischen den Bauern und den Grosskonzernen.)


Wie überzeugt man das Volk? Primär nicht mit komplexen «Argumentarien», sondern mit drei einfachen zentralen Aussagen auf drei verschiedenen Ebenen:


1) Wirtschaft: Mit dem Beitritt steigern wir das Volkseinkommen.

Begründung: Der Binnenmarkt ist ein gutes Geschäft: Marktausdehnung, Skaleneffekte, weniger Transaktionsverluste. Daraus resultierende Zusatzgewinne werden über europarechtsverträgliche «flankierende» innenpolitische Massnahmen abgeschöpft und an potenzielle Verlierer verteilt, z.B. in die biologische Berglandwirtschaft und andere Niedriglohnbranchen. Die Instrumente dazu sind vorhanden: Garantierte Grundeinkommen, anständige Minimallöhne, Steuererleichterungen, Direktzahlungen. Für «sanfte Landungen» sind unter anderem auch die Beitrittsübergangsregelungen da.


2) Politik: Mit dem Beitritt gestalten wir die Politik der EU aktiv mit.

Begründung: Statt dass wir am laufenden Band alles passiv herunterschlucken (Personenfreizügigkeit, Schengen/Dublin, Euro-Franken-Wechselkurs usw. – es sind alle Lebensbereiche bzw. Rechtsräume betroffen), nehmen wir wie die anderen Kleinstaaten umfassende Mitbestimmungsrechte wahr: Ein substanzieller Souveränitätsgewinn. Durch den Beitritt werden fremde Richter automatisch zu eigenen – genau so, wie die Zugehörigkeit der Kantone zum Bund die Bundesrichter für sie zu eigenen Richtern macht. Fundamental für die Neutralität (was immer das sei): Die EU ist nicht die NATO. Hier muss man ebenso energisch wie unmissverständlich deklarieren: Die EU ist kein Kriegstreiber, sondern eine friedenserhaltende Organisation, und unser oberster Kriegsherr residiert nicht in Washington. (Auch Ursula von der Leyen kann das nicht ändern, selbst wenn sie es wollte.)

3) Kultur: Mit dem Beitritt machen wir uns interessant.

Begründung: Wir sind vollwertige Angehörige der europäischen Völkergemeinschaft. Wir sind weder Geldsäcke noch Rosinenpicker, sondern weltoffene, solidarische und sympathische Geistesnachbarn. Kooperation öffnet Türen, Renitenz schlägt sie zu. Auch hier gilt: Das partnerschaftlich orientierte Europa ist etwas ganz anderes als die gefrässige und sanktionsversessene «westliche» Weltherrschaft der Angelsachsen.


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