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Einwurf 78: Wirtschaftsfreundlich


Wissen Sie, wer oder was «wirtschaftsfreundlich» ist? Die Frage stellt sich deshalb, weil die Antwort, die man normalerweise darauf erhält, komplett falsch ist. «Wirtschaftsfreundlich» wird nämlich meistens mit «marktfreundlich» und «bürgerlich» oder «politisch rechts» gleichgesetzt. Als wären alle anderen automatisch «wirtschafts- und marktfeindlich», «nichtbürgerlich» oder «politisch links».

Über den Unterschied zwischen «Bourgeois» und «Citoyen» äussern wir uns hier jetzt nicht mehr; das macht jeder Volkssoziologe an jedem Kirchgemeindevortrag. «Wirtschaftsfeindlich» dagegen kann ja eigentlich gar niemand sein, der nicht gerade Selbstmordgedanken mit sich herumträgt. Auch «politikfeindlich» geht nicht, denn auch «nicht-politisch» kann man nicht sein. «Diktaturfeindlich» müsste es allenfalls heissen.

Analog: «Wirtschaftsfreundlich» heisst im Alltagsjargon faktisch nichts anderes als «abzocker- und heuschreckenfreundlich». Denn wer kommerzielle Unternehmen mit ökologischen, sozialen und kulturellen Forderungen konfrontiert und dazu passende Regulierungen vorschlägt, gilt rasch als «wirtschaftsfeindlich». Dabei sind es gerade diese Regulierungen, welche den «Märkten» ein nachhaltiges Fundament verschaffen. Wo Mord und Totschlag herrschen, wo die Leute dumm bleiben, krank werden und verarmen und wo ihre Identität verachtet und vernichtet wird, kann man lange von «Wirtschaftsfreundlichkeit» palavern. Dort gibt es (ausser den kriegswirtschaftlichen) nämlich gar keine «Märkte» mehr. Mit anderen Worten: Genuin «wirtschaftsfreundlich» sind nicht die Abzocker, die Heuschrecken und ihr ideologisches Fussvolk, sondern diejenigen, welche ihre wirtschaftlichen Aktivitäten vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Solidarität und der philosophischen Vernunft vollziehen.

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