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Einwurf 358: Die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) auf 10 Punkte gebracht

Aktualisiert: 2. Dez. 2020


1. Die Respektierung von Umweltstandards, Menschenrechten und ethischen Grundwerten überhaupt gehört zu den Selbstverständlichkeiten einer zivilisierten Gesellschaft. Wer das bis jetzt nicht gemerkt hat, darf problemlos zu seinem Glück gezwungen werden. Umwelt-, sozial- und kulturfreundliche Verfassungen beflügeln die Märkte, umwelt-, sozial- und kulturfeindliche erwürgen sie. Die Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht umgekehrt. Das erahnen sie mittlerweile sogar in Peking.


2. Die KVI ist kein Risiko, sondern eine Chance. Wer ethisch produziert und handelt, macht Freude, erntet Sympathien und leistet einen entscheidenden Beitrag zu einer integralen, inklusiven Lebensqualität. Echte Unternehmer sind begeisterungsfähige Pioniere und keine fantasielosen Angsthasen. Nicht wer eine Vision hat, muss zum Arzt, sondern wer keine hat.


3. Wer unethisch produziert und handelt, schadet der Reputation seiner Aktionäre, Gläubiger, Angestellten, Lieferanten und Kunden, seiner Branche, der Wirtschaft und der Nation. Nicht wer das glaubt, ist (im negativen Sinn) naiv, sondern wer das nicht glaubt. Je rabiater sich einer gegen wirtschaftsethische Regeln stemmt, desto mehr Dreck hat er am Stecken: Das ist schon fast ein «Naturgesetz». «Spätestens mit Corona können wir uns die KVI gar nicht mehr leisten»: Wer sowas aus einer Milliardärenfestung heraus überzeugend begründen kann, der werfe den ersten Stein. Denn wenn eine Krise zu Lasten der Schöpfung, des Klimas, von Wehrlosen und Ohnmächtigen «gemanagt» wird, ist das nicht nur unchristlich, sondern ganz einfach hochgradig verwerflich.


4. Wer unethisch produziert und handelt, soll das auch nicht zu Lasten von Unternehmen tun dürfen, welche sich vorbildlich verhalten. Das ist nicht nur schäbig, sondern auch unfair und ungerecht.


5. «Ich nicht, der andere auch» / «Wettbewerbsnachteile»: Die Messlatte für kultivierte Wirtschaftssubjekte wird nicht durch rücksichtslose Marktmachthaber gelegt, sondern durch eine nachhaltige Unternehmensethik. Wir sperren auch keine Appenzeller ein, bloss weil das die Chinesen mit den Uiguren und die weissen Amerikaner mit den andersfarbigen so machen. «Die Schweiz wird weltweit die strengsten Regeln haben»: Etwas Besseres kann uns gar nicht passieren – endlich sind wir mal wieder vor den Skandinaviern!


6. «Unethische Unternehmen sind unbedeutende Einzelfälle»: Wenn das stimmt, dann haben die meisten von der KVI ja überhaupt nichts zu befürchten. Wenn das aber nicht stimmt, dann braucht es die KVI erst recht. Ein «standhafter Realist» rechnet eh damit, dass es noch zahlreiche «gröbere Einzelfälle» gibt, von denen man bis jetzt gar nichts weiss. Dagegen wirkt die KVI-Legislation dann wohltuend präventiv.


7. «Rechtsimperialismus»: Die Schlaumeierei, sich scheinheilig hinter einer überforderten und bestechlichen Justiz zu verstecken, gehört auf den Misthaufen der Nationalismusgeschichte. (Geradezu rührend ist an dieser Stelle die Mobilisierung leninistischer Kriegsrhetorik durch die KVI-Gegner.)


8. Das gleiche Schicksal verdienen die Tricks mit dem Outsourcing von Drecksgeschäften und dem Einkauf von Drecksprodukten («Liefer- und Wertschöpfungsketten»).


9. «Haftung»: Ein Gesetz ohne Sanktionen gegen jene, welche dagegen verstossen, ist sinnlos und überflüssig. (Genauso bescheuert ist der «pseudotaktische» Gegenvorschlag des Parlaments.) Wer anderer Ansicht ist, muss zwangsläufig die Abschaffung des ganzen Strafrechts einfordern.


10. «Klagewelle»: Das ist eher schon ein «Verzweiflungsmärchen» ohne jede statistische Evidenz, es sei denn, man habe die Klagen zu Recht verdient (wie z.B. die Milliardenbussen bzw. -vergleiche der Grossbanken schwarz auf weiss beweisen).

Alles klar: KVI JA. Und dann beinhart dranbleiben. Die Umsetzung muss schliesslich ausgerechnet von jenen vorangetrieben werden, welche an sich dagegen sind. Wir kennen das Problem inzwischen bestens. (Mit einer öffentlich-rechtlich selbstständigen, parteienfreien, transparenten, ressourcenstarken und interventionsbevollmächtigten Buchführungs- und Geschäftstätigkeitsaufsicht und einem längst fälligen zeitgemässen Verfassungsgericht hätten wir es natürlich nicht.) Dass das Parlament auf Betreiben von Konzern- und Verbandslobbyisten systematisch Volksinitiativen missachtet, verschleppt und zerhackt, muss endlich aufhören. Denn so geht die direkte Demokratie vor die Hunde. (Eigentlich müsste dem Parlament untersagt werden, sich mit Volksinitiativen herumzuschlagen. Das würde auch dessen «Agenda» deutlich entlasten, die bald bloss noch mit dem Rücken zur Wand diesen Initiativen hinterherhechelt. Statt dass man zügig, profiliert und ohne die «obligatorischen», vernehmlassungsverseuchten faulen Kompromisse vorwärtsmacht und gerade so auch die Initiativenschwemme stoppt. Für «Übersteuerungsmodelle» haben wir ja immer noch das Referendum.)


Wer seinerzeit für die Abzockerinitiative war, ist jetzt auch für die Konzernverantwortungsinitiative. Die vernünftigen 99 Prozent sollen dem unvernünftigen einen Prozent den Tarif durchgeben, statt sich wie schon oft wieder schwachsinnig einschüchtern zu lassen. Dem Vernehmen nach rechnen die KVI-Gegner bereits mit einer befürwortenden Volksmehrheit und wollen diese nun mit dem Ständemehr erdrosseln. Die Minderheiten sollen Taliban spielen - sie werden sich hoffentlich davor hüten, dieses staatspolitische Risiko einzugehen.


Am besten werden grössere öffentliche Verwaltungen und Betriebe, gemeinnützige und in der Schweiz domizilierte zwischenstaatliche Organisationen ebenfalls dem «KVI-Ausführungsgesetz» unterstellt. Denn die sind auch nicht von vornherein die «besseren Menschen». (Siehe Bundesanwaltschaft, Unispital Zürich, reformierte Kirchenräte, katholische «Büebli-Priester», FIFA, Oxfam, UNO-Truppen ….) In das Gesetz gehört ausserdem ein Verbot, den Investitionsschutz zu Lasten von Umweltstandards und Menschenrechten zu missbrauchen (Stichworte: «Umgehungsgeschäfte», «Hintertüren», «Strohmänner» ….).


Kennen Sie diesen unsachlichen, propagandistischen Unwörtersalat da: «Wunschträume», «Utopisch», «Unrealistisch», «Unverhältnismässig», «Unausgewogen», «Nicht durchdacht», «So nicht», «Geht zu weit», «Masslos», «Übertrieben», «Viel zu radikal», «Emotional», «Tränendrüsen», «Moralisierend», «Generalverdacht», «Kontraproduktiv», «Bumerang», «Schuss nach hinten», «Sie sägen am Ast, auf dem sie sitzen», «Sie beissen sich in den eigenen Schwanz», «Sie schütten das Kind mit dem Bade aus», «Schwarze Schafe gibt es immer», «Gut gemeint – schlecht gemacht», «Die sind bloss neidisch», «Bürokratisch», «Staatsgläubig», «Fundamentalistisch», «Ideologisch», «Linksextrem», «Umverteilungsfanatisch», «Brandgefährlich», «Standortschädlich», «Wirtschaftsfeindlich», «Vernichtet Arbeitsplätze und Altersrenten», «Zerstört den Mittelstand und die KMU», «Verursacht Preis- und Steuererhöhungen», «Nicht finanzierbar», «Nicht umsetzbar», «Das passt nicht in unser System», «Beweislastumkehr», «Unschweizerisch», «Das Bisherige hat sich bewährt», «Es geht nicht an….», «Das kann es nicht sein….»? Klar doch, das sind die notorischen Ladenhüter aus den vulgärsprachlichen Mottenkisten von «gemässigten», «bürgerlichen» Befehlsempfängern, innovationsschwachen Reformenhassern, arroganten, luxuswahnsinnigen Privilegienreitern und schmarotzenden Lachsbrötli-Schleimern (aus politischen Werbeagenturen). Meistens werden solche Unwörter völlig unreflektiert irgendwelchen «trumpistischen» Dorfkönigen, Platzhirschen, Leitkühen usw. nachgeplappert. «Die Firmen werden abwandern», plätschern die neoliberal-hurrapatriotischen Gebetsmühlen. Aber wo wollen sie denn hin? In das «Neue Reich des Bösen» (EU)? In eine mafiöse, menschenleere, steril-dröge Steueroase? In einen Herrenrassen-Schurkenstaat, wo sie unablässig Verträge und Gesetze mit Füssen treten? Na gute Reise dann!


Und ja, selig sind die geistig Armen, die immer noch an die Eigenverantwortungs- und Freiwilligkeitsstörche glauben, und das in einer Welt, in der unseren netten schweizerischen und europäischen Konzernchefs von kommunistischen Diktatoren, neofaschistischen Oligarchen, frauenmassakrierenden Hinduisten, terroristischen Islamisten, exklusivitätsversessenen Juden, dreckschleudernden Rohstoffbaronen, geisteskranken Kriegsgurgeln, raffgierigen Kasinokapitalisten, arroganten IT-Monstren, depperten Diarrhö-Twitterern, skrupellosen Rechts- und Wirtschaftskonsulenten und korrupten Stammeshäuptlingen im Gleichschritt mit den (ihrerseits durchwegs männlichen) Mistkerlen des «klassischen» organisierten Verbrechens (wozu auch die Geheimdienste gehören) der Marsch geblasen wird. Corona hat bewiesen: Auf Empfehlungen wird gepfiffen («Ich bin doch nicht blöd», «Erlaubt ist, was nicht verboten ist» usw.), nur Verordnungen werden ernst genommen, deren Nichtbefolgung spürbare Konsequenzen hat. Die Verunsicherung, welche Normen im Label-Dschungel nun wirklich etwas wert und gleichzeitig auch rechtsverbindlich sind, muss ein Ende haben.


Eine Gesellschaft, in der sich Geist und Gesetz nicht decken und das «schwache Fleisch» den «willigen Geist» vergiftet, geht kaputt. Das gilt nicht nur für Weissrussland. «Etwas ist nicht recht, weil es Gesetz ist, sondern es muss Gesetz sein, weil es recht ist» (Montesquieu). Alles klar: KVI JA.

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