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Einwurf 462: Physische Direktkontakte und mechanischer Fernverkehr


Die Pandemie hat den Videokonferenzen einen Boom verschafft, und weil man gemerkt hat, dass die Wirtschaft sehr wohl auch ohne eine exzessive, hektische Geschäftsreiserei auskommt, ist jetzt allenthalben von einem riesigen Sparpotenzial die Rede. Zudem hat die Erfahrung mit Home Office gelehrt, dass man in der Vergangenheit wohl auch viel zu viele Büros gebaut hat, die ja eh immer leer sind, wenn sich das Personal ununterbrochen auf Reisen, an Kongressen, in Seminaren, an Sitzungen, bei irgendwelcher Kundschaft, in den Ferien, in der Auszeit oder in einer Burnout-Klinik befindet. Sparpotenzial ohne Ende.


Im gleichen Zug ist aber auch klar geworden, dass physische Direktkontakte, sofern es sie denn wirklich braucht, viel mehr wert sind als mechanischer Fernverkehr. Vor allem bei multilateralen Verhandlungen ist der Qualitätsunterschied deutlich spürbar. Solche Verhandlungen beginnen ja stets schon vor der Eröffnung (man geht auf «Tuchfühlung») und werden nach dem offiziellen Ende auch praktisch immer irgendwie fortgesetzt (im Korridor, in der Kantine, im Zug etc.). Atmosphäre und Prozessdynamik sind total anders: Im Präsenzverfahren ist für den versierten Beobachter von allen Teilnehmenden jeweils alles blitzschnell und unmittelbar fassbar: Mimik, Gestik, Töne, Gerüche ….. und der notorische Ärger mit der Technik fällt ebenso weg wie der diskrete Machtmissbrauch der vorsitzenden Moderation.


Eigentlich sollte es nach solchen Erfahrungen und Einsichten nun etwas leichter fallen, die Sitzungs- und Reiseorgien der Vergangenheit zu Gunsten einer ressourcenschonend ausbalancierten Verhandlungskultur aufzugeben. Theoretisch. Denn der postpandemische Nachhol- oder Kompensationsdruck ist enorm. Das sieht man im Tourismus, wo der Klimaschutz sehr schnell einmal überhaupt keine Rolle mehr spielt. Es sei denn, man werde mit jenen Umweltabgaben «bestraft», welche dem Neofaschismus den roten Teppich auslegen.


Das Leben ist und bleibt eben nicht einfach, Pandemie hin oder her. Skylla oder Charybdis: Das ist die Frage. Die Antwort findet man in der WPK-Philosophie. (Das Buch dazu erscheint im nächsten Jahr; bis dann begnügt man sich mit «Die Megatrendigen – Statusberichte 2050».)

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